Diese Tischvorlage kippt alles um, denn nun sollte dem Bürgerbegehren "abgeholfen" und der Bürgerentscheid vermieden werden, ganz so wie es Herbert Schlegel angedeutet hatte. Im Punkt I hält der Stadtrat es "für vordringlich ... und für notwendig", in Punkt II "für erforderlich" etc. Dann folgen jeweils rechtsunverbindliche, politische Absichtserklärungen. Im letzten Punkt III wird dann klar ausgesprochen, um was es geht: "Unter Berücksichtigung dieser Aspekte beschließt der Stadtrat die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme." Doch lesen die Dokumente hier in der Umschrift (einschließlich der Rechtschreibfehler!). Im Klartext: Diese “Maßnahme” ist der Grundsatzbeschluss für den Bau eines Kultur und Kongresszentrums auf dem Donaumarkt, wie ihn die BI Pro Donaumarkt mit dem Bürgerbegehren verlangte.
Nun kam es bei Gassenfest zur Bemerkung der Pressesprecherin der Stadt Regensburg gegenüber einer Mitbegründerin der BI Donaumarkt, dass sie “lügen” würde, wenn sie bauptet, der Stadtrat hätte den Bau eines RKK auf dem Donaumarkt beschlossen. In der sich daran anschließenden gerichtlichen Auseinandersetzung wurde am 7.11.2006 folgendes Urteil verkündet.
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Amtsgericht Regensburg Aktenzeichen: 3 C 2554/06
Eingegangen am 08. November 2006
Verkündet am 07.11.2
Urkundsb.d.Geschäftsstelle
IM NAMEN DES VOLKES!
URTEIL In dem Rechtsstreit Marion Puhle, Lederergasse 7, 93047 Regensburg - Verfügungsklägerin - Prozeßbev.: Rechtsanwälte Herbert Schwarzfischer, Krebsgasse 1, 93047 Regensburg AZ: Sc-2006/00211-GE
g e g e n
XXXXXXXXXXX c/o Stadt Regensburg/Pressestelle, Rathausplatz 1, 93047 Regensburg - Verfügungsbeklagte - Prozeßbev.: Rechtsanwalt XXXXXXXXX, Prüfeninger Schloßstr. 4 a, 93051 Regensburg zu 1. AZ: B/D 75/06
wegen einstweiliger Verfügung
erläßt das Amtsgericht Regensburg durch den Richter am Amtsgericht XXXXXX aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2006 folgendes
ENDURTEIL
I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 01.08.2006 wird abgewiesen.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 750,00 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
TATBESTAND:
Die Verfügungsklägerin, Mitbegründerin und Verantwortliche der Bürgerinitiative Donaumarkt, welche sich gegen ein Kultur- und Kongresszentrum auf dem Standort Regensburger Donaumarkt ausspricht, begehrt mit ihrem bei Gericht am 01.08.2006 eingegangenen Antrag von der Verfügungsbeklagten, Pressesprecherin der Stadt Regensburg, Unterlassung einer Äußerung.
Am 09.07.2006 bummelte die Verfügungsbeklagte privat mit einer Bekannten durch das Regensburger Gassenfest, wobei es zu einem Meinungsaustausch an dem Informationsstand der Bürgerinitiative Donaumarkt kam.
Die Verfügungsklägerin behauptet und legt zur Glaubhaftmachung eidesstattliche Versicherung vor, die Verfügungsbeklagte sei auf sie zugekommen und habe ohne längere Diskussion erklärt:
"Wenn Sie den Bürgern erzählen, dass der Stadtrat beschlossen hätte, dass eine Stadthalle auf den Donaumarkt kommt, dann lügen Sie."
Unstreitig war zuvor von einer Bürgerinitiative "Pro Donaumarkt" ein Bürgerbegehren angestrebt worden mit dem Ziel, am 24.09.2006 einen Bürgerentscheid in der Stadt Regensburg herbeizuführen über folgende Frage: "Sind Sie dafür, dass das Regensburger Kultur- und Kongresszentrum mit Wochenmarkt und öffentlichen Parkplätzen auf dem Donaumarkt gebaut wird?"
Unstreitig hatte der Stadtrat Regensburg am 22.06.2006 über dieses Bürgerbegehren zu entscheiden und folgenden Beschluss getroffen:
"Der Stadtrat beschließt:
I. Angesichts des momentanen Diskussionsstandes hält es der Stadtrat für vordringlich, eine realisierbare Entscheidung zum Bau eines Kultur- und Kongresszentrums auf den Weg zu bringen. Dazu hält es der Stadtrat für notwendig - den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Information über mögliche Lösungen und Alternativen am Donaumarkt zu entsprechen; - den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger über eine Einbindung in die Entscheidung zu entsprechen; - für ein möglichst transparentes Verfahren zu sorgen.
II. Zur Erreichung dieser Ziele hält es der Stadtrat daher für erforderlich: 1. Einen städtebaulichen Ideenwettbewerb zur Sanierung des Ostenviertels/Nord mit Realisierungsteil für die Bebauung des Donaumarktes durchzuführen mit dem Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern möglichst bald ... zur Ausführung geeignete Entwürfe zeigen zu können. 2. Die Bürgerinnen und Bürger über die bisherigen Planungen zur Errichtung eines Kultur- und Kongreßzentrums noch einmal ausführlich zu informieren und die jeweils daraus resultierenden Konsequenzen aufzuzeigen. 3 . Die Bürgerinnen und Bürger über die sich aus dem Wettbewerb ergebenden Folgerungen hinsichtlich der Errichtung eines Kultur- und Kongreßzentrums zu befragen, so dass im Anschluss an die Befragung das Ergebnis umgesetzt werden kann. Dazu ist dem Ausschuss für Stadtplanung, Verkehr, Umwelt- und Wohnungsfragen ein Vorschlag für die Gestaltung einer schriftlichen Befragung vorzulegen. ...
III. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte beschließt der Stadtrat die Durchführung der mit dem Bürgerbegehren verlangten Maßnahme. ..."
Die Verfügungsklägerin hält die o.g. Äußerung für unwahr und beleidigend. Die Verfügungsklägerin hält eine Entscheidung im Eilverfahren für geboten und befürchtet eine Wiederholung dieser Äußerung im derzeit laufenden kommunalpolitischen Meinungskampf.
Die Verfügungsklägerin ist der Meinung, die gegenständliche Aussage erfolgte nicht privat, sondern quasi öffentlich an einem Infostand der Bürgerinitiative.
Die Verfügungsklägerin beantragt:
Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgelds, ersatzweise Ordnungshaft, geboten, nachfolgende Äußerungen zu unterlassen: Die Verfügungsklägerin würde lügen, wenn sie den Bürgern erzählt, dass der Stadtrat beschlossen hätte, dass eine Stadthalle an den Donaumarkt kommt.
Die Verfügungsbeklagte beantragt:
Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
Die Verfügungsbeklagte bestreitet genannte Äußerung und behauptet, sie habe zu Bedenken gegeben, dass die Stadt jedes Bürgerbegehren behandeln und hierüber Entscheidungen treffen müsse; genannter Beschluss vom 22.06.2006 sei daher differenziert zu betrachten. Nach diesem Beschluss müsse eine Bürgerbefragung durchgeführt werden, was nichts anderes bedeute, als dass der Stadtrat den Bürgerwillen umzusetzen beabsichtige. Die Verfügungsbeklagte behauptet, sie habe dann sinngemäß gemeint, die Verfügungsklägerin müsse dies differenzierter betrachten. Wenn sie das in dieser stark vereinfachenden Form den Bürgern erzähle, dann lüge sie.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSBEGRÜNDUNG:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet; denn es fehlt sowohl an einem Verfügungsanspruch wie an einem Verfügungsgrund .
Nach §§ 935, 940 ZPO ist ein Verfügungsgrund lediglich dann gegeben, wenn der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten ist, den normalen Klageweg zu beschreiten. Angesichts des Umstandes, dass hier zwischen den Parteien am Rande eines Straßenfest diskutiert wurde, ist ein solches Eil-bedurfnis für das Gericht nicht erkennbar, zumal die Verfügungsklägerin bis zur Antragstellung mehr als 3 Wochen zugewartet hat.
Zu Unrecht ist die Verfügungsklägerin der Meinung, es bestehe ein besonderes Eilbedürfnis, weil die Beklagte als Funktionsträgerin der Stadt Regensburg aufgetreten sei. Im Falle organschaftlichen Handelns wäre für eine derartige Klage der Zivilrechtsweg gar nicht eröffnet; vielmehr wäre für Unterlassungsklagen gegen amtliche Erklärungen aus dem hoheitlichen Bereich grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten, vgl. Palandt Einführung vor § 823 BGB Rz. 27. Vorliegend geht es jedoch um Erklärungen von Bürgern auf der Straße an einem Informationsstand; dieser betroffene Lebensbereich der Beteiligten zueinander ist durch bürgerlich-rechtliche Gleichordnung geprägt. Für Entscheidungen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit derartiger Erklärungen besteht kein Eilbedürfnis, zumal über den Kreis der unmittelbar am Gespräch Beteiligten hinaus ein besonderes Interesse Dritter nicht gegeben ist. Daher geht das Gericht auch davon aus, dass ohne Information der Presse seitens der Verfügungsklägerin kaum ein Redakteur am Ausgang dieses Verfahrens interessiert wäre, und auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung selbst nicht gestellt worden wäre, handelte es sich bei der Verfügungsbeklagten nicht gerade um die Pressesprecherin der Stadt Regensburg.
Der Verfügungsklägerin fehlt es jedoch auch an einem Verfügungsanspruch.
Abwehren kann die Klägerin nach §§ 1004, 823 BGB Beleidigung nach § 185 StGB, welche (als Kundgabe der persönlichen Nicht- oder Mißachtung) hier offensichtlich nicht gegeben ist, und üble Nachrede gem. § 186 StGB, als Behauptung einer Tatsache in Beziehung auf einen anderen, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, sofern nicht diese Tatsache erweislich wahr ist. Letzterer Tatbestand zwingt das Gericht zu einigen unvermeidbaren semantischen Erwägungen (hätte er dies freiwillig berufsbedingt tun wollen, wäre unterfertigter Richter wohl Germanistikphilologe geworden). Der Tatbestand des § 186 BGB wäre dann erfüllt, wenn es eine Tatsache wäre, dass die Verfügungsklägerin lüge, wenn sie den Bürgern erzähle, dass der Stadtrat beschlossen hätte, dass eine Stadthalle an den Donaumarkt komme, und diese Tatsache geeinet wäre, die Verfügungs-klägerin verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabgzuwürdigen, sofern diese Tatsache nicht erweislich war ist. Der Brockhaus definiert eine Lüge als eine bewusst falsche, auf Täuschung berechnete Aussage, die auch dann gegeben ist, wenn Tatsachen mit Absicht verschwiegen oder gefälscht werden. Es ist angesichts des nicht ganz einfachen Satzbaus zunächst nach der Bedeutung der klagerseits beanstandeten Äußerung zu fragen, nach deren genauen Erklärungsinhalt. Die mehrdeutige Satzkonstruktion lässt sich nämlich grammatikalisch einordnen als a) Konsekutivsatz, als b) Konditionalsatz ebenso wie als c) Kausalsatz mit folgendem Sinnzusammenhang: a) Konsekutivsatz: Der Stadtrat hat bekanntermaßen keine Stadthalle am Donaumarkt beschlossen; folglich würde jemand lügen, der dies weiß und trotzdem behaupten sollte (aber es behauptet dies ja niemand). Als Konsekutivsatz, welcher sich mit bestimmten Voraussetzungen und den daraus sich entwickelnden Folgen befasst, hätte die Verfügungsklägerin ohnehin keinen Anspruch, denn in diesem Falle wäre eine Tatsache, welche die Verfügungsklägerin verächtlich zu machen geeignet wäre, gar nicht behauptet. In diesem Falle wäre die Äußerung eine bloße Erwägung theoretischer Art und keine Tatsachenbehauptung. b) Konditionalsatz: Für den Fall, dass die Verfügungklägerin weiß, dass der Stadtrat keine Stadthalle beschlossen hat, dies aber trotzdem behauptet, lügt sie. c) Kausalsatz: Weil die Verfügungsklägerin weiß, dass der Stadtrat keine Stadthalle beschlossen hat, dies aber trotzdem behauptet, lügt sie. Aber auch wenn streitgegenständlicher Satz als Konditionalsatz oder aber sinngemäß auch als Kausalsatz aufzufassen sein sollte, wäre ein Unterlassungsanspruch nicht gegeben.
Zwischen den Parteien völlig unstreitig hat der Regensburger Stadtrat am 26.06.2006 nicht einfach beschlossen, dass eine Stadthalle an den Donaumarkt kommt. Dies wäre dann der Fall, wenn der Stadtrat - wie nicht - eine Baugenehmigung beschlossen hätte. Hier wurde jedoch ein städtebaulicher Ideenwettbewerb beschlossen, Information der Bürger über die bisherigen Planungen und im Anschluss daran Durchführung einer Bürgerbefragung hinsichtlich der Errichtung eines Kultur- und Kongresszentrums. Dies lässt sich nicht nur als Beschluss deklarieren: "Die Stadthalle kommt an den Donaumarkt!"
Das Gericht verkennt nicht, dass es nicht leicht ist, eine derart ausdifferenzierte Stadtratsentscheidung mit prägnanten Formulierungen auf der Straße zu diskutieren. Dem Gericht erscheint es freilich sprachlich einfacher, derartige Entscheidungen mit griffigen Formulierungen zusammenzufassen. Dies möglicherweise jedoch auch unter Preisgabe und Veränderung des tatsächlichen Inhalts.
Wer sich jedoch so verhält, mag sich dann aber auch klaglos von dritter Seite vorhalten lassen, er sage nicht die Wahrheit. Die Verfügungsklägerin hat - wenn sie tatsächlich behauptet haben sollte, der Stadtrat habe eine Stadthalle am Donaumarkt beschlossen, die Bürger objektiv nicht mit der Wahrheit bedient. Sie mag dann aber auch nicht so kleinlich sein und der Beklagten vorhalten, sie habe die Unwahrheit nicht bewusst (sondern ggf. aus Unachtsamkeit oder sprachlicher Unfähigkeit) und auch nicht zum Zwecke der Täuschung (sondern ggf. zwecks Vereinfachung und Stimmungmache) vorgenommen. Die Beurteilung derartiger innerer Umstände ist nämlich eine Sache der Wertung und daher eine bloße Meinungsäußerung, nicht jedoch eine Tatsachenbehauptung, wie sie § 186 StGB voraussetzt. Jedenfalls ist das Verhalten der Verfügungsbeklagten von der Meinungsfreiheit, Art. 5 I GG, gedeckt.
Die Verfügungsbeklagte hat den Tatbestand der üblen Nachrede nicht erfüllt. Es kann daher dahinstehen, ob ausreichend glaubhaft gemacht ist, dass die beanstandete Äußerung so gefallen ist wie klägerseits behauptet.
Kosten: § 91 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO
XXXXXXX Richter am Amtsgericht
Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift
Regesburg, den 07.11.2006
XXXXXXXX, JSekr.in _ _ _
Soweit ersichtlich, hat der Richter die politische Systematik des Stadtratsbeschlusses vom 22.5.2006 nicht gesehen (oder eventuell nicht sehen wollen?), denn er ergeht sich in allerlei semantischen und anderen Verrenkungen (bei der Verkündung führte er aus: “Ein komplizierter Beschluss”), ohne auf den Punkt III des Stadtratsbesclusses einzugehen, der maßgebend ist und den Grundsatzbeschluss zum Bau eines RKK auf dem Donaumarkt darstellt. Von daher überlegt sich die Klägerin, ob es nicht grundsätzlich geboten ist, vor dam Amtsgericht eine ordentliche Klage zu erheben, bei der dann OB Hans Schaidinger als Zeuige aufgeboten wird, um dem Gericht zu erklären, was der Stadtrat am 22.6.2006 beschlossen hat.
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