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Welterbe mit Händchen - was soll daraus werden?
Tolles war in der MZ vom 27.2.2007 zu lesen: Gesucht wird ein Geograph, Kunsthistoriker, Denkmalpfleger oder auch Architekt als Koordinator, Netzwerker, Beauftragter und Kümmerer mit Händchen fürs Welterbe. Eine Ausschreibung gibt es noch nicht für diese Wunderfrau oder diesen Wundermann, aber eines ist schon klar, sie/er muss “Ahnung von Bauaufgaben” haben. Da sind wir schon mittendrin im Geschehen, denn “einvernehmlich” waren sich Baureferentin, Kulturreferent und unser aller Obereferent darüber einig, dass die Zukunft der Stadt mehr mit Planen und Bauen und nicht mit Kultur zu tun haben wird, also sitzt das neue Wunderhändchen logischerweise beim Baureferat im Stadtplanungsamt. Der Ehrentitel heißt zwar “Weltkulturerbe”, im Kulturreferat ist dafür sämtliche inhaltliche Arbeit geleistet worden, aber der Herr Kulturreferent ist ein totaler Versager, der wohl alles “einvernehmlich” aus der Hand gibt. Er ist nicht einmal in der Lage, jetzt bei der neuen Situation, sich für ein eigenständiges Denkmalamt in dieser Stadt einzusetzen. Also, freuen wir uns auf das neue Planen und Bauen in der Kern- und Pufferzone des Welterbe-Gebiets! Die Investoren stehen schon Schlange, die Pläne sind in den Computern abgespeichert.
Welterbe und Stadthallenlust
Es lohnt sich, nachdem die Auseinandersetzungen um den letzten Bürgerentscheid vorbei sind, darüber nachzudenken, was da eigentlich abgelaufen ist. Mehrere Hauptlinien sind erkennbar, die sich wechselseitig durchdringen und auch gegenseitig bedingen. Da ist 1. die Bürgerinitiative Pro Donaumarkt, 2. das Streben der Stadt nach Eintragung in die Welterbe-Liste, 3. die jahrzehntelange Gier der Stadtspitze nach dem Bau einer Stadthalle und 4. die Bürgerinitiative Donaumarkt als Vertreterin der mehrheitlichen Bürgerinteressen in der Stadthallen-Standortfrage Donaumarkt.
Ende Mai 2006 reichte die BI Pro Donaumarkt ihre Unterschriftenlisten ein und trat damit eine gesetzliche Fristenlawine los, die nicht mehr zu stoppen war. Innerhalb eines Monats musste der Stadtrat entscheiden, wie mit diesem Antrag auf einen Bürgerentscheid umzugehen ist. Gleichzeitig kam vom Welterbezentrum in Paris über den Dienstweg (Auswärtiges Amt in Berlin und Kunstministerium München) ein Brief in Regensburg an, der noch einige Erläuterungen zum Regensburger Welterbe-Antrag verlangte. U.a. sollte die Frage nach Neubauplänen in der Kernzone des künftigen Welterbegebietes beantwortet werden. Noch im Juni 2006 ging diese Antwort über München, Berlin nach Paris. Aus ihr sei der Passus über die Neubaupläne im Welterbegebiet zitiert: “Bei sämtlichen von ICOMOS in der risk analysis angesprochenen stadtplanerischen Maßnahmen, die das Areal der vorgeschlagenen Kernzone und der Pufferzone betreffen könnten, hat die Stadt im Hinblick auf das laufende Antragsverfahren für die Eintragung in die Welterbeliste eine Entscheidung vorläufig zurückgestellt. Um jede Gefährdung des Welterbeensembles auszuschließen und um den hohen Anforderungen an Welterbestätten gerecht zu werden, wird die Stadt den vorgeschlagenen Managementplan durch ein eigenes Steering Comitee ergänzen. In Verbindung mit den strengen Regeln des legal framework für die Erhaltung der Altstadt ist damit eine ideale und konstante Betreuung des Welterbes gewährleistet. Regensburg soll auf diese Weise auch im Sinne der Berliner Erklärung (Berlin Appeal of 75 delegates representing 40 European countries, meeting in Berlin on 8-9 November 2005) zu einem internationalen Modellfall für die Kooperation der verschiedenen interessierten Ebenen werden.” Mit einem Verschweigen der Neubaupläne am Donaumarkt und dem vollmundigen Versprechen der Einrichtung eines “Steering Commitees” - das es bis heute noch nicht gibt - löst OB Schaidinger das Problem, gleichzeitig seine Welterbe- und seine Stadthallenpläne voranzubringen.
Es ist bekannt, wie es weiter ging. Am 22.6.2006 gab der Stadtrat dem Begehren der BI Pro Donaumarkt statt und fasste damit den Grundsatzbeschluss zum Bau einer Stadthalle mit Hotel auf dem Donaumarkt. Drei Wochen später machten die Welterbe-Verhandlungen in Vilnius noch einmal Probleme: Der Botschafter der Bundesrepublik für die Verhandlungen in Vilnius (Ministerialdirigent Rolf-Dieter Schnelle) verlangte von OB Schaidinger eine Erklärung, dass es keine Neubaupläne im Welterbegebiet gäbe und die Stadt “die Bedingungen und Maßstäbe der Einstufung als Weltkulturerbe respektiere.” Postwendend ging die Antwort am 12.7.2006 nach Vilnius ab (siehe untenstehenden Brief), die dann am 13. Juli 2006 als Tischvorlage den Mitgliedern des Welterbekomitees präsentiert wurde.
Auch hier wieder Tricksereien, ein Verschweigen der Stadthallen-Neubaupläne am Donaumarkt, die schon drei Wochen vorher vom Stadtrat beschlossen wurden! Wer möchte, kann darüber nachdenken (in diesem Fall ist besonders das Auswärtige Amt gefragt), wie man das nennt und was es bedeutet, wenn ein bauwütiger und vor nichts zurückschreckender Oberbürgermeister internationale Gremien so anschmiert.
Doch nicht genug damit. Die Taktik war es nun, der Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass die Neubaupläne mit den UNESCO-Gremien bestens abgestimmt seien und die Stadt über alles informieren würde. Nichts davon stimmt. Am 25.7.2006 wurde erst einmal der Investorenwettbewerb aufgehoben und einen Tag später erfolgte der Beschluss zum neuen Architektenwettbewerb. Dessen vorzeitige Auslobung erfolgte am 9.8.2006. Die überstürzte Eile der Angelegenheit ist erkennbar, noch immer nicht ist die UNESCO über die wahren Absichten der Stadt informiert. Erst am 21.8.2006 informierte das städtische Amt für Hochbau und Gebäudeservice die Deutsche UNESCO-Kommission, indem es die Wettbewerbsunterlagen nach Bonn schickte und auch noch an die falsche Adresse, denn diese Kommission - finanziell getragen vom Auswärtigen Amt - hat mehr die Aufgabe einer nationalen “Werbe-Kommission” für den Welterbegedanken, sie trifft keine Entscheidungen. Von ihr wurde die Stadt unterrichtet, wo sie ihre Architekten-Wettbewerbs-Anzeige hinzuschicken habe. Das war schon die ganze “Zusammenarbeit” mit der UNESCO, denn es ist ausführlich dargelegt worden (Der Leserbrief, Dezember 2006, S. 23 - 26 und Der Leserbrief, Januar 2007, S. 29, dazu die Internetseite www.bi-donaumarkt.de mit Veröffentlichung der entsprechenden Dokumente), dass Prof. Petzet und Dr. Marano nicht im Auftrag des Welterbezentrums handelten, sondern als Privatpersonen in Regensburg weilten, wie dies von Prof. Bandarin, dem Direktor des Pariser Welterbezentrums schriftlich bestätigt wurde. Aufschlussreich hingegen der Hinweis von Kulturreferent Unger (siehe unten), dass Prof. Petzet schon vor der Welterbe-Entscheidung in Vilnius über die Stadthallenplanung in Regensburg informiert war. Dies bedeutet ein besonders schweres Versäumnis, wenn der Präsident von ICOMOS International das Welterbekomitee in Vilnius vor seiner Entscheidung nicht über seinen Kenntnisstand informiert hat.
Es zeichnet sich ab, dass die deutsche Delegation in Vilnius mit allen Mitteln den Regensburger Antrag durchbringen wollte, ohne Rücksicht darauf, was für Großplanungen gleichzeitig in der Kernzone des künftigen Welterbegebietes anliefen. Ein Reflex dieser “intensiven Lobbyarbeit” findet sich selbst noch in der Neujahrsrede von OB Schaidinger: “Mancher Außenstehende betrachtet die Entscheidung als Formsache. Wer in das Geschehen eingebunden war, sah die Fallstricke und Fußangeln. Ich erinnere mich an unzählige Telefonate zwischen Regensburg und Vilnius, wo bis zum letzten Augenblick gerungen und gekämpft wurde.” Welch “poetische” Umschreibung für Unterlassungs- und Lügengeschichten. Spätestens seit dem Wanner-Interview (MZ 26.1.2007) kennen wir die grenzenlose “Freiheit” seines Handelns: “Das Amt eines Oberbürgermeisters ist in Bayern ein schönes Amt, man hat keinen Dienstvorgesetzten und keinen disziplinarischen Vorgesetzten.” Jeden “normalen” Beamten oder Angestellten kostet so eine Vorgehensweise den Job, nicht aber OB Schaidinger. Es bleibt der fatale Eindruck zurück, dass OB Schaidinger und seine CSU rücksichtslos und in großer Eile noch das Stadthallen-Projekt durchdrücken wollten, noch bevor z.B. die Welterbekonvention ihre Wirkung entfalten kann. Der Bürgerentscheid vom 17.12.2006 machte diesem Spuk ein Ende. Es war deutlich zu sehen, dass alle Entwürfe für den Donaumarkt aufgrund des vorgeschriebenen Raumprogramms zu groß, also nicht altstadtverträglich, geraten sind. Es ist nicht schwer vorherzusehen, dass bei einer Weiterverfolgung dieser Pläne die Probleme mit dem Welterbezentrum erst richtig begonnen hätten. Dann hätte die bayerische “Denkmalpflegerschiene”, zu der getrost auch die Herren Petzet und Marano zu rechnen sind, nichts mehr zu sagen gehabt. Unbelastete Fachgutachter aus anderen Ländern würden dann kritisch und vorurteilslos die Wettbewerbsergebnisse begutachten.
Ein für Regensburg exemplarischer Fall, vor allem in Bezug auf die hiesigen Ersatzbrückenplanungen, läuft gerade in Dresden ab. Zwei Berichte in der Süddeutschen Zeitung (Christiane Kohl, Unverbesserlich. Mediatorengruppe fordert neues Konzept für die Dresdner Elbbrücke, SZ 26.1.2007 und Ira Mazzoni, Sind wir welterbefähig? In Dresden geht es um mehr als die Waldschlösschenbrücke, SZ 30.1.2007) klären über den gegenwärtigen Stand auf. Die Stadt Dresden ist moderat und möchte die Kritik der UNESCO berücksichtigen. Das Dresdner Regierungspräsidium - mithin der Freistaat Sachsen - will einen sofortigen Baubeginn, damit zugesagte Fördergelder nicht verloren gehen. Ein Bürgerbegehren für diese Brücke (in Sachsen gilt eine Drei-Jahres-Bindungsfrist und nicht nur ein Jahr wie in Bayern!) spielt auch noch eine Rolle. Sachsen argumentiert, dass es keinen Vertrag mit der UNESCO habe. Damit ist das zentrale Dilemma in Deutschland mit seiner “Kulturhoheit” der Länder aufgezeigt, dass auch für Regensburg, wenn es hart auf hart kommen sollte, eine Rolle spielt. Dresden hat, wie Regensburg, den Eintrag in die Welterbeliste selbst beantragt. Die UNESCO argumentiert mit guten und nachvollziehbaren Gründen, dass die neue Brücke zu groß geplant sei und das welterbegeschützte Elbtal störe. Das Welterbekomitee hat in Vilnius wegen dieser Brückenplanung Dresden auf die Rote Liste gesetzt und klargemacht, dass Dresden bei einem Baubeginn von der Liste der Welterbestätten gestrichen werden würde. Die UNESCO sagt weiterhin, sie habe einen völkerrechtlich bindenden Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen, worin diese sich zur Einhaltung der Welterbekonvention verpflichtet hat. Ihr Vertragspartner sei die Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch das Auswärtige Amt) und nicht der Freistaat Sachsen. Frau Dr. Ringbeck, die in diesem Fall als Mediatorin tätig war, ist zuzustimmen: “Wenn das Sächsiche Oberverwaltungsgericht der Rechtsauffassung des Regierungspräsidiums folgt, dann müssen sofort alle Welterbestätten Deutschlands auf die Rote Liste gesetzt werden, weil ihr wirksamer Schutz in Deutschland nicht mehr gewährtleistet ist. Mit der Waldschlösschenbrücke steht letztlich die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik als internationaler Vertragspartner auf dem Spiel.” Im Klartext: Wenn die Bundesregierung jedem Länder- oder Stadtfürsten seine Neubaupläne durchgehen lässt, die sich in einem ausgewiesenen Welterbegebiet befinden, dann ist es aus mit der “Kulturnation Deutschland” und seiner “Welterbe-Reklame”. Mitte/Ende Februar soll das Sächsische Oberverwaltungsgericht den Dresdner Brückenbau-Fall entscheiden und dann kann man sehen, wohin die Reise geht.
Nachtrag: Inzwischen hat Mitte März 2007 das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen sein Urteil gesprochen und den Baubeginn für die Waldschlösschenbrücke angeordnet. Das Urteil stützt sich Wesentlichen auf den Dresdner Bürgerentscheid von 2005 für den Brückenbau. Vom Auswärtigen Amt war nichts zu hören oder zu lesen, “Geheimdiplomatie” hilft hier nicht weiter. Wenn schon erwogen wird, den Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen, dann sollte dies zumindest auch für den Kulturschutz gelten. Mittlerweile regen sich erste Proteste gegen dieses Urteil. Die Dresdner Stadtverordneten haben nun beschlossen, vor dem Landes- und Bundesverfassungsgericht gegen die Bautzener Beschlüsse zu klagen, da sich das Gericht überhaupt nicht mit der Frage befasst habe, ob Völkerrecht vor Kommunalrecht geht oder umgekehrt.
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